Stillgelegte Bahnhöfe in Patsch
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Inntram-Forum -> S-Bahn

Beitrag Nr. 1   | Stillgelegte Bahnhöfe in Patsch Autor: manniStadt / Stadtteil:
I-Arzl
   |  BeitragErstellt: 06.05.2012 21:29
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Liebe Leute,

das Aufnahmegebäude I aus 1867 in Patsch ist untrennbar mit den frühen Jahren der Brennerbahn verbunden, aber auch das weiter südlich gelegene Aufnahmegebäude II, das ab 1910 den alten Bahnhof ersetzte und noch bis 1994 in Betrieb war.
Mit Inbetriebnahme von Aufnahmegebäude II wurde der "alte" Bahnhof zum Wohnhaus, eine kleine Landwirtschaft wurde dort betrieben. Unterhalb der beiden Gebäude, am Ufer des Sillflusses, befanden sich außerdem Obst- und Gemüsegärten. Ein noch weiter nördlich gelegenes Bahnwärterhaus wurde bereits vor einer Weile abgerissen.

Zu weiteren geschichtlichen Details möchte vielleicht jemand anderer etwas schreiben oder hilft Tante Google, in meiner kleinen Reportage will ich mich auf Bilder vom heutigen Zustand der Gebäude konzentrieren. Danke an dieser Stelle an itsme, mit dem ich dort war und der sich vor Ort schon auskannte.

Heute bleiben an den beiden mit den in den 1990er-Jahren beliebten Klinkersteinen ausgelegten Bahnsteigen nur noch täglich zwei S-Bahn-Züge stehen, für sie wurde ein winziges Beton-Wartehäuschen errichtet. Die halbstündlich verkehrenden Züge der Linien S2 und S3 fahren ohne Halt durch. Das Hauptproblem ist die Anbindung an den Ort: nur eine etwa 1,5 Kilometer lange, abschnittweise extrem steile und sehr schmale, wenn auch asphaltierte, Straße führt zur Station. Sie könnte allenfalls mit Kleinbussen befahren werden, die steilen Abschnitte müssten aber im Winter aufwändig vor Vereisung geschützt werden und wären bei Schneelage unpassierbar. In früheren Zeiten waren die Menschen bereit, solche Wege bei jedem Wetter zu Fuß zurückzulegen, heute würden das viele wahrscheinlich gar nicht mehr schaffen. Die Verkehrsversorgung von Patsch übernimmt heute die Buslinie 4141, mit der die Fahrt ins Stadtzentrum allerdings wesentlich länger dauert als mit der S-Bahn.

Begeben wir uns zunächst zum Aufnahmegebäude II. Eine Ansicht gegen Süden:



Die Gebäudefront, leider im Gegenlicht:



Der heute noch genutzte westseitige Bahnsteig:



Anichten gegen Norden und Nordosten. Alles ist mit Spanplatten verrammelt:





Jetzt geht es ins Innere des Gebäudes, zuerst sehen wir uns das Erdgeschoss an. Ein Aufenthaltsraum:



Auch die Sperrholzplatten konnten das Fenstergas nicht vor Vandalismus schützen:





Raumdekor der 1960er- und 70er-Jahre in der ehemaligen Dienstwohnung:





Auch hier Zerstörung:







Dieser WC-Wasserkasten könnte noch aus der Zeit der Errichtung stammen:



Diese Wendeltreppe führte in eine nachträglich angebaute Aussichtswarte, die nicht mehr existiert:



Jetzt begeben wir uns in den Keller:



Rechts hinten führten Starkstromleitungen ins Gebäude, wahrscheinlich auch Leitungen für die Signal- und Weichensteuerung:



Ans Eingemachte - die Gäser sind noch gefüllt. Man beachte das Schild an der Innenseite des Kistendeckels!



Zurück hinauf ins Erdgeschoss:



Wie in allen derartigen Gebäudem finden auch hier Obdachlose Unterschlupf:



Jetzt begeben wir uns etwa 500 Meter nach Norden, zu Aufnahmegebäude I. Etwa auf halbem Weg kommen wir am 1994 errichteten Fahrgastunterstand vorbei:



Der Blick zurück nach Süden zeigt den Weg zu Aufnahmegebäude II, das rechts im Bildhintergrund hinter den Bäumen liegt.
Auf der linken Seite ist der zugewachsene ehemalige Erschließungsweg zum "alten" Bahnhof, also dem Aufnahmegebäude I, an dem wir jetzt angekommen sind. Als dieses noch in Betrieb war, gab es hier einen Bahnübergang.



Oft werden abgenutzte Schienen als Zaunpfosten verwendet, so auch hier diese Schiene aus 1895:



Diese Gebäude wurde in massiver Steinbauweise errichtet:





Wir begeben uns ins Innere. Auch hier erwarten uns Spuren von temporären BewohnerInnen:



Ein Holz-Kohle-Herd aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts:



Die meisten Einrichtungsgegenstände haben die Zerstörungswut mancher Eindringlinge allerdings nicht überlebt:



Die Styropor-Stuckdecke dürfte aus den 1980ern stammen:



Der Raum ist im Stil der 1980er-Jahre verfliest:



Ein Sanitärbereich:



Im Wohntrakt gegenüber ein 50 bis 60 Jahre alter E-Herd:



Zerstörung und Müll überall:



Auch die Kloschüssel blieb nicht verschont:



Lampenschirm aus den 1970ern oder 1980ern:



Im ersten Stock ist ebenfalls alles kaputt:



Ein Blick auf den Dachboden:



Die Stockwerke sind mit einem geräumigen Stiegenhaus mit schöner Steintreppe verbunden - hier hat leider meine Kamera die Bilddateien nicht richtig abgespeichert.

Bleibt mir nur zu sagen, dass, wenn schon das Aufnahmegebäude II nicht erhalten werden kann, wenigstens das Gebäude I eine neue Verwendung finden sollte.

Die Bausubstanz scheint bei beiden Gebäuden noch intakt zu sein, es ist im Inneren trocken und es waren keine Risse zu sehen.
Nach abschnittsweisem Neubau der Erschließungsstraße könnte eine Kleinbuslinie die Anbindung des Ortes an die S-Bahn herstellen und damit die Reisezeit für PendlerInnen zum Hauptbahnhof von 45 auf 15 Minuten verkürzen.

Abschließend noch ein Bild der Front von Gebäude I, das dessen ehemalige Schönheit erahnen lässt. Der zugemauerte Steinbogen war der Zugang zum Wartebereich.


Zuletzt bearbeitet von manni: 05.08.2012 19:45, insgesamt einmal bearbeitet

Beitrag Nr. 2   |  Autor: Tomy TalentStadt / Stadtteil:
Innsbruck Pradl
   |  BeitragErstellt: 07.05.2012 08:34
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Strom für das Licht scheint es noch zu geben! mega grin

Beitrag Nr. 3   |  Autor: manniStadt / Stadtteil:
I-Arzl
   |  BeitragErstellt: 07.05.2012 10:42
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Nur wenn man ihn selber mitbringt Mr. Green - das Original!

Beitrag Nr. 4   |  Autor: itsme   |  BeitragErstellt: 09.05.2012 17:49
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Wie man feststellen kann, wäre die Bausubstanz beider Gebäude noch tadellos, Keller und Dachboden vollkommen trocken. Es amcht sicher mehr Arbeit, diese denkmalgeschützten Bauten zu schleifen, als sie wieder herzurichten und zu vermieten oder veräussern.
Auch ist es ein Hohn der Zeit, dass es ein großes Problem macht, die Trinkwasserversorgung bereitzustellen, war die Station doch zur Dampfzeit die erste Wasserstation auf der Strecke zum Brenner hoch. Es gab und gibt eine eigene Wasserversorgung vom naheliegenden Bach, welche vielleicht durch heutige moderne Wildwasserverbauten und andere Änderungen beleidigt ist.
Es wäre Schade wenn so ein Juwel an Architektur dem Rotstift zum Opfer fallen würde.
werner - Tiroler Bahnarchiv

Beitrag Nr. 5   |  Autor: itsme   |  BeitragErstellt: 09.05.2012 20:31
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Noch was, zur 140 Jahrfeier kam vom kuratorium für technische Kulturgüter das Buch Weichen & Wahrzeichen heraus, in diesem steht auch manches über die Brennerbahn und eben den Bahnhof Patsch aus architektonischer Sicht gesehen.
Der Südbahnbauarchitekt Flattich errichtete alle Bahnhöfe in einem gemeinsamen Stil. Je nach Wichtigkeit in Bahnhöfe I., II., und III. Klasse eingeteilt. Beim alten Bahnhof Patsch war ursprünglich im mittleren Hauptteil der Wasserturm eingebaut, deswegen auch der massive Dachboden-Boden.
Noch einige Bilder des alten Bahnhofes als Ergänzung zu mannis Reportage
Recht nah führt heute das Gleis beim Haus vorbei

Ein schönes Stiegenhaus

gute Streckensicht, für Bahnfreunde ideal

das ist der alte bahnhof
werner

Beitrag Nr. 6   |  Autor: itsme   |  BeitragErstellt: 09.05.2012 20:43
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Der neue Bahnhof wurde vermutlich mit der Elektrifizierung in Betrieb genommen. Dabei wurde der Bahnhof mit einem Mittelgleis versehen.
Und so sahr er bis in die 90er Jahre aus. Das oberste Geschoss war das Stellwerk, von dem aus der Fahrdienstleiter eine gute Übersicht hatte.

Dann wurde der bahnhof auf zwei Gleise reduziert und damit das Obergeschoss abgetragen

heute fahren neben der S-Bahn auch die Eurocity von München nach Verona durch

die Treppe zum Stellwerk existiert noch, eine schöne eiserne Wedeltreppe.

und wieder Ergänzung zu Mannis Bildern:
Die Türstockfarbe blättert schon toll ab.

Die Hausfrau war recht fleissig beim einmachen von Gemüse und Obst.

Tiroler Bahnarchiv - Werner

Zuletzt bearbeitet von itsme: 09.05.2012 20:46, insgesamt einmal bearbeitet

Beitrag Nr. 7   |  Autor: Steph   |  BeitragErstellt: 09.05.2012 20:59
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Ich kann mich glatt im 2. Waggon vom EC erkennen! big grin

Beitrag Nr. 8   |  Autor: Tiroler77Stadt / Stadtteil:
Innsbruck / Pradl
   |  BeitragErstellt: 05.08.2012 10:47
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Wir sind auch extra mal mit der S-Bahn zum Bahnhof Patsch gefahren und haben uns die schönen alten Bauwerke angesehen. Die Strasse mit dem Mountainbike dann hoch war aber wirklich eine Qual.

Eine Anbindung an den Ortskern mit einem Schrägaufzug könnte doch eventuell eine Lösung sein...

*träum*

Beitrag Nr. 9   |  Autor: manniStadt / Stadtteil:
I-Arzl
   |  BeitragErstellt: 05.08.2012 19:43
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Ihr habt glatt die eine S4 genommen, die am Tag dort hält? lachen

Ich schieße ein paar Bilder nach von kürzlichen weiteren Besuchen:














Beitrag Nr. 10   |  Autor: Tiroler77Stadt / Stadtteil:
Innsbruck / Pradl
   |  BeitragErstellt: 05.08.2012 20:03
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Yep, die hamma uns extra rausgesucht, wir hatten eh Angst das der Lokführer vielleicht vergißt stehen zu bleiben - aber es hat geklappt. Allerdings waren wir auch die Einzigen die ausgestiegen sind. zwinkern

Schöne Bilder übrigens, wir haben uns schon gefragt wie es da wohl drinnen ausschaut! :-O



Beitrag Nr. 11   |  Autor: manniStadt / Stadtteil:
I-Arzl
   |  BeitragErstellt: 05.08.2012 23:41
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Da wir hier in der Fahrdienstleitung ja nur einen eingeschränkten Mitleserkreis haben: man kommt bei beiden Gebäuden jeweils auf der Rückseite ziemlich leicht rein. Es lohnt sich trotz der Devastierung, besonders der "Bahnhof I" hat interessante Räume und man kann die ursprüngliche Architektur mit zwei Portalen und Wartehalle im Erdgeschoss noch gut erahnen.
Im "Bahnhof II" gibt es allerdings einen gut verriegelten Gebäudeteil, ich gehe davon aus dass da noch irgendwas gelagert wird, was nicht geklaut werden soll. Da haben wir uns gemäß dem Motto "Take nothing but pictures, leave nothing than footsteps" auch keinen Zutritt verschafft.

Beitrag Nr. 12   |  Autor: Tiroler77Stadt / Stadtteil:
Innsbruck / Pradl
   |  BeitragErstellt: 06.08.2012 17:19
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Wer weiß, vielleicht steht da eine Schatzkiste mit den verschollenen 3 Milliarden Schilling die noch um Umlauf sind! zwinkern

Wobei ich da sowieso keinen Mut hätte wo einzusteigen, ich hab leider schon zu viele Grusel-Filme gesehen wo Leute irgendwo reingehen und dann nicht mehr lebendig rauskommen! *g*

Von dem her begnüge ich mich mit den schönen Pics.

BTW: Steht das eigentlich alles unter Denkmalschutz oder fahren da irgendwann mal die Bagger auf und machen alles dem Erdboden gleich? weinen

Beitrag Nr. 13   |  Autor: Steph   |  BeitragErstellt: 11.08.2012 22:39
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Lt. meinem letzten Kenntnisstand wird im Zuge der Brennerbahnsanierung alles plattgemacht.

Beitrag Nr. 14   |  Autor: manniStadt / Stadtteil:
I-Arzl
   |  BeitragErstellt: 12.08.2012 00:41
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Ja, sieht so aus als wären die Initiativen gegen den Abriss gescheitert. weinen

Beitrag Nr. 15   |  Autor: Tiroler77Stadt / Stadtteil:
Innsbruck / Pradl
   |  BeitragErstellt: 12.08.2012 11:39
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schade, und wahrscheinlich werden sie die haltestelle dann komplett auflassen und gar nicht mehr halten, stimmts? evil

Beitrag Nr. 16   |  Autor: Tomy TalentStadt / Stadtteil:
Innsbruck Pradl
   |  BeitragErstellt: 03.09.2012 17:30
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Beide Gebäude sind mittlerweile abgerissen und dem Erdboden gleich gemacht. weinen

Beitrag Nr. 17   |  Autor: manniStadt / Stadtteil:
I-Arzl
   |  BeitragErstellt: 06.09.2012 23:35
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weinen Danke für die Info, Tomy!

Beitrag Nr. 18   |  Autor: sLAnZk   |  BeitragErstellt: 07.09.2012 00:07
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Das ist schade und sehr irritierend - sinnlose Zerstörung von Vermögen, die auch noch bezahlt werden muß. Dafür habe ich keinerlei Verständnis.
Der Brennerbasistunnel ist zwar Unfug, man kann aber Argumente finden (Lärm, vor allem), die bei entsprechend verzerrter Bewertung dann dazu führen, daß man ihn argumentieren kann (vor allem durch die Prämisse: wurscht, ob wir es uns leisten können). Diese Häuser, die statisch völlig in Ordnung waren, abzureißen, ist nicht zwingend, bringt keinen Nutzen, kostet aber Geld, das woanders fehlt.

Beitrag Nr. 19   |  Autor: manniStadt / Stadtteil:
I-Arzl
   |  BeitragErstellt: 07.09.2012 07:59
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Da hat wieder mal alles versagt, was eigentlich für den Schutz solcher Objekte sorgen sollte. Anscheinend beginnt 5 km außerhalb der Stadt schon die tiefste Bananen-Provinz.

Beitrag Nr. 20   |  Autor: itsme   |  BeitragErstellt: 07.10.2012 12:45
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Hier mal einen Bericht von nichts -
am einstigen Bahnhof Patsch wurde alles plattgemacht
Bahnhof 1

bzw der Bahnhof 2

mit traurigen Grüßen
werner

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