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„Die S-Bahn ins Überetsch ist machbar“ Vor über dreißig Jahren fuhr die Überetscher Bahn zum letzten Mal zwischen Kaltern und Bozen. Die Gemeinden setzten auf Busse, die Bürger aufs Auto. Wer heute morgens und abends auf den verstopften Straßen unterwegs ist, weiß: Die Bahn aufzugeben war ein Fehler. STOL hat mit dem Wiener Verkehrsplaner Hermann Knoflacher, der im Auftrag der Gemeinden Bozen, Eppan und Kaltern eine Machbarkeitsstudie einer Straßenbahn ins Überetsch ausgearbeitet hat und am Donnerstag in Eppan vorstellt, gesprochen. Südtirol Online: Was sind die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie zur S-Bahn, die die Gemeinden Kaltern, Eppan und Bozen verbinden soll? Hermann Knoflacher: Die Aufgabe war, eine Trasse zu finden, die technisch machbar sowie wirtschaftlich tragbar ist und verkehrsmäßig die derzeitige Situation mittelfristig und längerfristig verbessert. Wir haben eine Trasse gefunden, besser gesagt, es gibt mehrere Trassen. Wir haben Begehungen gemacht und alles fotografiert. Die derzeit vorhandene alte Bahntrasse war ja eigentlich nicht für den Personentransport ausgelegt worden, sondern vor allem für den Gütertransport und hatte daher auf die Siedlungen weniger Rücksicht genommen. Das war eine rein technische Trasse. Wir haben festgestellt, dass genügend Platz für eine S-Bahn da ist. Wir haben eine brauchbare Lösung gefunden, die insbesondere für Bozen wichtig ist, weil wir damit auch in der Stadt Siedlungsgebiete sehr gut erschließen und damit auch einen gut funktionierenden öffentlichen Verkehr auf die Beine stellen können. STOL: Bleibt der Radweg erhalten? Knoflacher: Nicht überall. Zum Teil würden die Trassen parallel liegen, zum Teil müsste man die Trasse des Radweges mitbenützen. Den Radweg müsste man dann neu anordnen, aber das ist ein kleiner Bereich. Der Großteil der alten Trasse würde erhalten bleiben. Wir haben eine Reihe von Varianten untersucht und die zweckmäßigste vorgeschlagen. Die anderen Varianten sind aber auch machbar. STOL: Verläuft die von Ihnen vorgeschlagene Strecke parallel zur alten Trasse? Knoflacher: Nein. Die Streckenführung verläuft entlang der bestehenden Straße. Wir wollen mit der Strecke dorthin kommen, wo auch die Leute hinfahren. STOL: Wieviel würde die Realisierung der Straßenbahn kosten?Knoflacher: Derzeit sind allgemein sehr viele Straßenbahnen im Bau. Es ist eine richtige Straßenbahnrenaissance ausgebrochen. Wenn wir die Kosten betrachten, sind wir eher an der oberen Grenze geblieben, also über 200 Millionen Euro, die bei einer guten Ausstattung eingesetzt werden müssten. STOL: Wie lange würde eine Fahrt mit der S-Bahn von Kaltern nach Bozen dauern? Knoflacher: Ungefähr dieselbe Zeit, die man heute mit dem Auto braucht, wenn der Verkehr flüssig ist. Eine der Auflagen, die wir uns selber gestellt haben, war, dass die S-Bahn konkurrenzfähig zum Auto sein muss. Der Autofahrer von Eppan oder Kaltern muss wirklich die Alternative haben, auf die S-Bahn umzusteigen. STOL: Sind neben der Hauptlinie Kaltern-Bozen auch Nebenlinien geplant, die die Dörfer untereinander verbinden? Knoflacher: Nein, geplant ist nur die Hauptlinie. Wir haben uns aber auch die Zubringersysteme überlegt. Wenn man Eppan hernimmt, geht es nicht ohne Zubringersysteme. Ich kenne die Vinschgerbahn sehr gut, da ich dort von Anfang an dabei war. Wir mussten auch dort die Zubringersysteme auf die Beine stellen. So auch im Fall der Überetscher S-Bahn. STOL: Wie würden die Zubringersysteme funktionieren? Knoflacher: Es sind Busse, allerdings anders gekoppelt als heute. Die Zubringerdienste würden vor allem Girlan und St. Pauls einbinden. Wir müssen dann eine gute Verknüpfung zur Eisenbahn in Sigmundskron herstellen. Das wäre dann ein schönes Netz. STOL: Wie oft sollte die S-Bahn fahren? Knoflacher: Meiner Ansicht nach ist ein Halbstundentakt angemessen. Am Morgen wird sich sehr schnell wie auch bei der Vinschgerbahn ein Viertelstundentakt anbieten, aber wir haben das Projekt so ausgelegt, dass wir ohne weiteres auch einen Viertelstundentakt bieten können; wir haben neben den eingleisigen Streckenabschnitten auch genügend zweigleisige Abschnitte. STOL: Befürchten Sie damit nicht längere Wartezeiten, wie sie derzeit auf der eingleisigen Strecke Meran-Bozen häufig vorkommen? Knoflacher: Es sind viele zweigleisige Streckenabschnitte vorhanden, die Strecke ist auch viel kürzer als jene von Bozen nach Meran. Es wäre ein elektronisch gesteuerter Betrieb, der auf eigenen Gleisen geführt würde und vor allem in Bozen gesteuert werden müsste, weil er in Bozen öfter halten muss. STOL: Wie würde die Trasse in Bozen aussehen? Knoflacher: In Bozen gibt es als Alternativen die Drususallee und die Eisackuferstraße. Aber ich nehme an, die Drususallee ist dazu geeigneter. Man könnte von dort auch aus das Krankenhaus erreichen. STOL: Falls die Trasse durch die Drususallee geht: Was sind die Konsequenzen für die Autofahrer? Knoflacher: Die Drususallee würde zu einer innerstädtischen Hauptverkehrstraße. Die Autos wären selbstverständlich noch zugelassen, auf einem Fahrstreifen pro Richtung. Ich habe ähnliche Projekte bereits in Wien und anderen Städten umgesetzt: Das ist kein Problem. Für die Haltestellen müssten wir selbstverständlich noch individuelle Lösungen finden. STOL: Ist die Drususallee breit genug dafür? Knoflacher: Ja, Platz genug hätten wir. Ob Parkplätze dadurch verloren gehen würden, das müsste in einer zweiten Phase geklärt werden. STOL: Ist der Bahnhof Bozen Zielpunkt? Knoflacher: Ja. Das hängt natürlich davon ab, wie der Bahnhof später aussehen wird, sollte er verlegt werden. Wir sind da aber flexibel. Der Start würde bereits - vom Süden kommend - vor dem Zentrum von Kaltern liegen. Endstation ist also die Weinstraße, in der Nähe des Kalterer Sees. Vom See könnte man mit der Bahn hinauffahren, das wäre natürlich ideal. Da wäre Kaltern natürlich auch für den Tourismus ein Superhit. Von Bozen zum Kalterer See mit der Bahn fahren, den See besuchen, Wein trinken, törggelen – da eröffnet sich eine Riesenpalette für den Tourismus. STOL: Die Bauzeit der S-Bahn? Knoflacher: Das hängt von mehreren Faktoren ab. Die Bauzeit ist weniger das Problem. Schwierigkeiten dürfte es bei der Grundbeschaffung geben. Enteignungen sollten dabei nicht vorkommen, aber Ablöse ist zu zahlen. Wenn man aber schaut, was für den Straßenbau abgelöst wird, ist es in diesem Fall ein Klacks. Im Straßenbau geht man hektarweise in die Ablöse und keiner wackelt mit den Ohren. Mit dem Projekt bräuchte man nur einen Bruchteil davon. STOL: Ist die S-Bahn die einzige Alternative für die Anbindung des Überetschs an Bozen? Knoflacher: Ich glaube, sie wäre sinnvoll, denn wir bauen in Südtirol derzeit systematisch ein schienengebundenes leistungsfähiges Verkehrssystem mit der Vinschgerbahn auf. Im Pustertal wird auch etwas ähnliches kommen. Ich finde, das Überetsch würde perfekt hineinpassen. STOL: Südtirol hat bisher nicht viel Erfahrung mit S-Bahnen … Knoflacher: In Paris hat es auch keine Straßenbahn gegeben. Vor einem Jahr wurde dort nun eine S-Bahn eröffnet. Zwar wahnsinnig teuer, aber sie läuft sehr gut. Sie haben wesentlich mehr Fahrgäste, als sie zu Beginn erwartet hatten. Ich war schon vor Jahren als einer von vier EU-Experten in Japan, um dort auch das Straßenbahnzeitalter einzuleiten. Wenn man schaut, was derzeit an Straßenbahnen europaweit und in Amerika läuft, ist das unglaublich. Die europäischen Staaten setzen wieder vermehrt auf Straßenbahnen, die sie vor fünfzig Jahren ausgemustert haben. STOL: Was sind die Vorteile einer S-Bahn? Knoflacher: Der Vorteil ist der, dass sie einen Schienenbonus hat. Wenn man einen Bus durch eine Straßenbahn ersetzt, kann man davon ausgehen, dass man - ohne den Fahrplan zu ändern – fünfzig Prozent mehr Fahrgäste erhält. Das haben wir mehrfach untersucht. Das liegt daran, dass die Straßenbahn für die Menschen attraktiver ist. Wir haben heute natürlich auch viel besseres Material als früher. STOL: Nachteile? Knoflacher: Der Nachteil ist, dass sie zunächst einmal in der Anschaffung teurer ist. Sie verlangt wesentlich mehr Disziplin von der Stadtplanung, und sie ist ein klares Bekenntnis zum öffentlichen Verkehr, und zwar nicht nur in den Sonntagsreden, sondern auch in der Praxis. STOL: Welchen Tarif für die Benutzung der Straßenbahn würden Sie vorschlagen? Knoflacher: Den normalen Tarif. Der öffentliche Verkehr ist in Südtirol nicht teuer. Teuer ist es für jene Benutzer, die wenig mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, billiger ist es hingegen für Vielfahrer. Damit wird eine gewisse verkehrspolitische Strategie verfolgt, nämlich die Leute zur regelmäßigen Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel anzuregen. In Südtirol hat man den Vorteil, dass man mit der Wertkarte auch jedes Mal gerecht behandelt wird. Wenn ich oft fahre, fahre ich billiger. Ich finde, das ist fair. Für unsere Berechnung haben wir die üblichen Preise verwendet. STOL: Wie sieht die Kostendeckung aus? Knoflacher: Die Kostendeckung ist bei der Überetscher Bahn sicher von Anfang an etwas größer als bei der Vinschgerbahn und ist meiner Ansicht nach voll gegeben, wenn auch die verkehrspolitischen Randbedingungen gegeben sind. Das heißt, die Parkraumpolitik in Bozen wird sich den internationalen Veränderungen nicht entziehen können. Kurz gesagt: Das Parken wird eingeschränkt und es wird teurer werden. Damit liegen wir auf der sicheren Seite. STOL: Sieht ihr Konzept auch Beschränkungen des Überetscher Autoverkehrs vor? Knoflacher: Das wird erst in der nächsten Phase, in der Detailplanung, kommen. Derzeit haben wir ganz allgemein den Rahmen abgesteckt und geschaut, dass wir auf ein politisch tragfähiges Konzept kommen. STOL: Ist die S-Bahn Teil eines Gesamtverkehrskonzeptes für Bozen? Knoflacher: Nein. Die Stadt Bozen hat sich eingeklinkt, weil sie das Projekt interessant findet. Bozen würde aber damit einen wichtigen Schritt in eine zukunftsorientierte Verkehrspolitik setzen. STOL: Ihre Prognose: Wird die S-Bahn gebaut? Knoflacher: Wichtig ist, dass man sich zu einer zukunftsorientierten Verkehrspolitik und den entsprechenden Investitionen bekennt. Aber ich bin sehr froh, dass die Machbarkeitsstudie so positiv ausgegangen ist, denn ich selbst war nicht davon überzeugt, dass wir etwas Tragfähiges zusammenbekommen. Die Vorstudien, die man bisher in Südtirol gemacht hat, waren eher vorsichtig beziehungsweise negativ. |
DUEWAG 240 schrieb: |
Aber dagegen ist das Schienennetz der Grazer Strassenbahn ja seit dem Kriegsende gewachsen. |
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